Klüsserath an der Mosel hat schon so manchen stimmungsvollen Krippenkurs gesehen, ja seine Kursleiterlehrgänge sind geradezu berühmt für die gute Stimmung und den Zusammenhalt der Gruppe. Anfang Juni 2013 hat es also ein weiteres Highlight dieser Tradition gegeben. Antonio Pigozzi, Gianluigi Barbieri und Nicolo Cellegato boten erstmals ihren „Corso presepistico avanzato“ als „Bau von perspektivischen Krippen“ in Deutschland an. Zweieinhalb Tage lang konnten dabei fünfundzwanzig Krippenfreunde aus Deutschland und Österreich von ihnen lernen, wie sie mit modernen Mitteln Dioramakrippen bauen. Maria Mola, die wunderbar in Deutsch und Italienisch parlieren und scherzen kann, sorgte für die Verständigung im Detail.
Perspektive und Farben
Antonio Pigozzi ist bekannt für die großartige Tiefenwirkung seiner Krippen, die er mit dreierlei Perspektive erreicht: geometrische Perspektive, Farbperspektive und Licht-und-Schattenperspektive. Noch aus Schultagen ist uns allen die geometrische Perspektive mit Flucht- und Augenpunkt ein Begriff und manchem ein Graus. Eine kurze Einführung zur Theorie und die Technik mit der Schnur sollten zunächst die Angst vor der Geometrie nehmen. Unbekannter war den meisten dagegen die perspektivische Wirkung von Farbe. Immer wieder betonten die drei Kursleiter, das man die Objekte in der 2. und 3. Ebene eines Dioramas (Mittel- und Hintergrund) nicht in den Farben fasst, die sie haben, sondern in denen, in denen sie dem Auge auf diese Entfernung erscheinen. So sind Berge im Hintergrund eher blau als grün und Gipfel klar, jedoch Täler im Dunst verschwommen.
Überraschend war die verstärkende Wirkung des Schattenwurfs, den Antonio Pigozzi und Gianluigi Barbieri durch den Einsatz von dunklen Schattenfarben und hellen Spitzlichtern beim Fassen wieder aufnahmen. Wichtig ist dabei, dass die Beleuchtung beim Fassen von der gleichen Stelle erfolgt, wie später in dem fertigen Diorama. Selbstverständlich gibt es nur eine große Lichtquelle in einem Diorama – es gibt ja auch nur eine Sonne.
Styrodur und Farben
Der zweite Schwerpunkt der Vorführungen war der Einsatz von Styrodur (extrudiertem Hartschaum, XPS) als Krippenbaumaterial. Styrodur und Styropor als Untergrund- und Stabilitätsmaterial machen die Krippe sehr leicht, viel leichter als es mit Weichfaserplatten, Sperrholz und Krippenmörtel möglich wäre, und das obwohl Gips zur Formung der Oberfläche eingesetzt wird. Als Untermaterial ist jedes dieser Polystyrolprodukte zu nutzen. Manche Typen können daneben auch als Schnitzmaterial eingesetzt werden. Was sich mit diesen Sorten XPS machen lässt, hat im Kurs immer wieder zu spontanen Szenenapplaus geführt. Angefangen mit den Häusern des Hintergrunds über Balkonbretter und Styrodur – Zypressen bis zu Amphoren und Weinfässern, konnten die drei Kursleiter praktisch jeden Krippengegenstand aus Styrodur fertigen – selbst das Brot auf dem Teller.
Beim Formen der Landschaftskörper aus Styropor kam dann zum ersten Mal der Ausspruch, der zum Leitwort dieses Krippenkurses werden sollte: „nichts wegwerfen“. Aus Resten von Styropor lässt sich so mit einem Mantel aus Gipsmasse noch ein wunderschöner Felsen formen, dessen Oberfläche durch Bestreuen mit einem Pulver aus trockenem Gips, zermahlenen Gipsresten und Sand eine besondere Ausstrahlung erhält. Gips ggf. mit ein wenig eingeweichtem Papier ersetze beim Formen der Landschaft durchgängig den Krippenmörtel.
Effekte mit Farben zaubern
Interessant bei der vorgestellten Arbeitsweise war auch die Kombination von Dipsersions- bzw. Acrylfarben, Pigmentfarben und Ölfarben. Acrylfarben kamen ausschließlich als dunkle Grundierung zum Einsatz. Gebäude und Gelände wurden dann mit Pigmentfarben und Hasenleim gefasst. Antonio Pigozzi zieht Hasenleim anderen Bindern, z.B. Leimwasser auf Weißleimbasis, vor, da er den Farbeindruck weniger verfälscht. Besondere Effekte wurden dann mit Ölfarben gesetzt, die verdünnt mit einer 1:1‑Mischung von Leinöl und Terpentinbalsam, feuchte Stellen in Mauerwerk und Straßenpflaster herausarbeiteten. Ganz nebenbei zeigte Antonio Pigozzi auch noch wie man mit einer Schablone und einer Sprühdose ganz schnell einen einfachen Krippenhintergrund hervorzaubern kann.
Nach zweieinhalb Tagen und dem berühmten Klüsserather Abendprogramm juckte es allen Teilnehmern erkennbar in den Fingern. Ein jeder wollte das Gesehene gerne selber ausprobieren. Auf einen praktischen Kurs müssen sie allerdings bis nächstes Jahr warten, bis dahin können sie Zuhause schon einmal die vielen neuen Methoden üben und vor allen Dingen „nichts wegwerfen“.