Von Benno Dierenbach
Was bewegt neun erwachsene Menschen zwischen 30 und 80 Jahren aus allen Teilen Deutschlands hunderte Kilometer zu fahren, um für eine Woche in einem kleinen Ort an der Mosel zusammenzukommen? Was bewegt diese Menschen dazu, eine Woche Urlaub zu investieren, Haus und Familie zurückzulassen, um ein gemeinsames Ziel zu verfolgen? Dies habe ich mich während meines Aufenthaltes in Klüsserath einige Male gefragt. Wegen der eindrucksvollen Antwort schreibe ich nun diesen Bericht über den Hintergrundmalkurs.
Besondere Atmosphäre
In diesem besagten Ort gibt es eine Krippenbauschule. Diese Krippenbauschule bietet die Möglichkeit, unter Anleitung selbst ein Hintergrundbild für eine Weihnachtskrippe zu malen. Und wer die Ergebnisse von nur einer Woche sieht, hält kaum für möglich, dass sie von Menschen geschaffen wurden, die im Malen von Bildern kaum Vorkenntnisse hatten. Nicht nur die Endergebnisse des Krippenhintergundmalkurses sind bemerkenswert und erstaunlich. Ebenso erstaunlich ist, dass Menschen verschiedenster Herkunft mit ganz unterschiedlichen Berufen sich gegenseitig inspirieren, sich gegenseitig ermutigen und helfen und somit eine Atmosphäre schaffen, in der jeder nach der Woche wieder mit dem Gefühl nach Hause zurückkehrt, dass er menschlich etwas Großartiges erleben durfte. Die Gruppe wuchs zu einer Einheit zusammen, in der Neidgefühle, Konkurrenzdenken und Erfolgssucht niemals aufkamen.
Dabei war konzentriertes und diszipliniertes Arbeiten täglich 8 Stunden vonnöten, um alle Motivteile zu erlernen, die der Kurs anbot. Auch darauf legte der Leiter des Kurses, Ernst Hollenstein aus Jenbach in Tirol, großen Wert. Es ist ein Phänomen, was dieser Mann den Teilnehmern während nur einer Woche vermitteln kann. Es gehört für die Teilnehmer zu den besonderen Erfahrungen, diesen Mann – nicht nur beim Malen – zu erleben. Die besondere Art seines Humors, seine herzliche Art mit Menschen umzugehen, seine ganz eigene Art im Umgang mit der künstlerischen Freiheit, aber vor allem seine Fähigkeiten als Maler, mit Hilfe derer er die Kursteilnehmer berät und sie unterstützt, machen wohl einen Großteil des Erfolges aus, der den Kurs auszeichnet.
Inhalte im Kurs
Zunächst musste der Maluntergrund vorbereitet und entsprechend dem Aufbau von Himmel, Horizont und der Landschaftsteile eingefärbt werden. Eine Einübung in die Farbenlehre vermittelte ein Gefühl für die Farben in orientalischen Landschaften. Mit der Gestaltung einer Ruine begann die Einübung in die Einzelmotive. Dabei war besonders darauf zu achten, dass durch die unterschiedliche Größe, Form und Farbe der Steine zu sehen sein sollte, dass es sich um eine alte Ruine handeln sollte. Durch die Verbindung mit einem Olivenbaum verlor die Ruine ihre isolierte Wirkung. Beide Motive zusammen wurden zu einem landschaftsgestaltenden Ensemble mit großer Wirkung.
Wie man durch die richtige Maltechnik und Farbgestaltung einen Olivenbaum unzweideutig als solchen erkenntlich gestalten und diesem eine Tiefenwirkung verleihen kann, setzte alle Teilnehmer in großes Erstaunen. Ebenso war dies erlebbar beim Malen von Palmen und Zypressen. Ein erster malerischer Erfolg löste bei den Kursteilnehmern freudige Selbstbestätigung aus. Wie der Kursleiter dann Schafe und Ziegen in allen Positionen und Größen in einer anatomischen Genauigkeit vorzeichnete, verriet, dass er durch das Zusammenleben mit Tieren und seiner Liebe zu diesen Geschöpfen eine besondere Beziehung zu ihnen hat. Die Kursteilnehmer hatten da schon etwas größere Schwierigkeiten damit, eine Ziege so darzustellen, dass diese auch als solche zu identifizieren war.
Eine orientalische Krippe – ausschließlich für solche war der Malkurs konzipiert – zeigt vom Grundaufbau immer den Ort Bethlehem, der im Lukasevangelium im Zusammenhang mit der Geburt Jesu erwähnt wird. Entsprechend stand nun das Zeichnen von Häusern, Mauern und Treppen auf dem Programm. Dabei musste besonders auf die richtige perspektivische Widergabe durch den Blickwinkel des Betrachters geachtet werden. Da zur Zeit Jesu die wenigsten Häuser verputzt waren, war beim Zeichnen der Steinmauern filigrane Detailarbeit und Geduld gefragt. Nun begann der spannendste Teil des Kurses. Durch die Anlage von Felsabbrüchen, Landschaftsteilen und vor allem der Berge im Hintergrund bekamen die einzelnen Bildelemente eine Beziehung zueinander.
Schon zuende?
Durch die entsprechende farbliche Gestaltung bekam das Bild plötzlich eine räumliche Tiefe. Das Hintergrundbild hatte sich zur Gesamtkomposition zusammengefügt. Da und dort wurde es noch ergänzt durch einen Hügel mit einer kleinen Siedlung, einem See, einer Oase oder nur einzelnen Häusern mit Zypressen. Die Phantasie jedes einzelnen Teilnehmers war nun so richtig in Fahrt gekommen und hätte die Bilder gerne noch um einige Motive erweitert. Die Kurszeit war jedoch zu Ende und das Reinigen und Putzen der Werkzeuge und Räume war angesagt.
Beim Abschlussabend haben wir unter Anwesenheit einiger Gäste die Werke gemeinsam betrachtet und der Kursleiter analysierte die Ergebnisse. Die Vorsitzende der Krippenfreunde Klüsserath verlieh jedem Teilnehmer eine Urkunde und die Kursteilnehmer bedankten sich beim Kursleiter. Ein ganz großer Dank gebührt dem Krippenverein Klüsserath und der Krippenbauschule für das großartige und außergewöhnliche Angebot eines solchen Kurses, bei dem für alles gesorgt ist: Für das benötigte Material ebenso wie für liebevolle Unterkünfte, für hervorragendes Essen und für ein Rahmenprogramm mit Weinprobe und Wanderung. Die Teilnehmer haben sich mit großer Dankbarkeit von den Verantwortlichen der Krippenfreunde Klüsserath und von den Mitteilnehmern mit dem Gefühl verabschiedet, dass sie zusammen eine Woche verbracht haben, die viel mehr war als ein Malkurs.